Wenn Nutzer-Überwachung zum Standard wird

In den letzten Jahren hat sich Netzpolitik zu einem richtungsgebenden Themenfeld entwickelt. Egal ob ACTA, Vorratsdatenspeicherung, NSA-Überwachungsskandal oder die Netzneutralitätsdebatte – mit der raschen technologischen Entwicklung der letzten 20 Jahre sind netzpolitische Inhalte zu einem zentralen Punkt der politischen Agitation geworden. Um so beeindruckender ist auch, wie erfolgreich die netzpolitische Zivilgesellschaft die Themenführerschaft übernommen hat und Abkommen wie ACTA verhindern konnte.
So erfolgreich der politische Diskurs von der Zivilgesellschaft geführt wurde, große Konzerne wie Google, Facebook und Yahoo nehmen sich immer mehr aus deren Verantwortung über die massenhaft von den Nutzerinnen und Nutzern gesammelten Daten. Vor allem Yahoo hat in den letzten Tagen negative Schlagzeilen gemacht: die Datenschutz-Funktion „Do Not Track“ wurde aufgekündigt.
Die von Mozilla im Firefox eingeführte Funktion, welche auch in alle anderen gängigen Browser übernommen wurde, informiert die angesurfte Website darüber, dass der Nutzer nicht mitverfolgt und dessen Daten aufgezeichnet werden will – an das sich die Websites auf freiwilliger Basis auch halten sollen. In einem Blog-Eintrag erklärt nun Yahoo, dass es in dem Projekt keine Zukunft sieht, und Nutzer die Yahoo-eigenen Tools zu nutzen, um die Privatsphäre-Einstellungen zu optimieren. Nutzerinnen und Nutzer können sich somit nicht mehr selbst vor marketingtechnischer Überwachung durch das Unternehmen schützen und verlieren somit die Selbstbestimmung.
Nur wenn Nutzerinnen und Nutzer selbst über deren Datenschutz entscheiden können, kann unser Recht auf Privatsphäre gewahrt bleiben. Nur wenn unsere Geräte und Software standardmäßig mit  Privatsphäre-freundliche Einstellungen ausgeliefert werden, können sich die Nutzerinnen und Nutzer selbst vor der Ausspähung personenbezogener Daten zu Marketingzwecken schützen. Daher muss entschieden für einen Standard a lá „Do Not Track“ Funktion eintreten!

Minority Report an der Tankstelle

Anfang November wurde bekannt, dass in der britischen Tankstellenkette „TESCO“ eine neue Art von Kundenanalyse eingesetzt werden soll: maßgeschneiderte Werbung anhand von biometrischen Daten. Schreckensmomente wie beim Film „Minority Reportinklusive.
Das die Marketingabteilungen von Firmen immer mehr über Kundinnen und Kunden erfahren wollen um Werbung bestmöglich individualisieren zu können, ist nichts neues. Mit neuen Technologien ist die Datenerhebung aber wesentlich vereinfacht worden und lässt viel genauere Analysen zu. Anfang November verkündete der britische Tankstellenriese TESCO in 450 Filialen ein neuartiges Marketingsystem umzusetzen: personalisierte Werbung anhand von biometrischen Daten. Dabei werden die Kundinnen und Kunden nicht nur beim Einkauf gefilmt, sondern das Programm „Optimeyes“ verschafft den MarketingexpertInnen anhand von Gesichtserkennung, Körperform, Frisur und Augen einen tiefen Einblick in die Kaufgründe der Kundschaft. Diese Oberflächlichkeiten können dann zur Feststellung des Geschlechts bzw. des Alters herangezogen werden, um die Kundin bzw. den Kunden mit der richtigen Produktwerbung an der Kassa zu bombardieren.
Eine solche Unterwanderung der Privatsphäre darf nicht unbeantwortet bleiben. Eine solche Technik könnte nicht nur zu einer zusätzlichen Verstärkung der bereits jetzt ausufernden Überwachung dienen, sondern auch zu einer Diskriminierung potenzieller KundInnen führen. Neben zivilgesellschaftlichen Organisationen artikuliert eine Arbeitsgruppe der EU-Kommission Bedenken, dass Individuen aufgrund solcher Analysen der Zugang zu Geschäften oder anderen Orten verweigert werden könnte. In wiefern die EU-Kommission von diesen Techniken weiß bzw. diese billigt, bleibt im Dunkeln.
Eine parlamentarische Anfrage sollte daher Licht ins Dunkel bringen und einen tieferen Einblick in das Thema bieten. Dazu wurden 4 gezielte Fragen an die Europäische Kommission übermittelt, welche in den kommenden zwei Monaten beantwortet werden müssen. Die Anfrage kann hier nachgelesen werden:
Anfrage zu Erfassung zu biometrischen Daten