Berichten von Human Rights Watch zufolge befanden sich Ende Dezember 2017 in Griechenland 54 unbegleitete Minderjährige in Polizeidienststellen oder Hafteinrichtungen für Einwanderer in Gewahrsam [1]. Die Nachforschungen ergaben, dass diese Kinder unter unhygienischen Bedingungen, oft zusammen mit nichtverwandten Erwachsenen untergebracht waren und möglicherweise missbraucht und durch die Polizei misshandelt wurden.
Wie bereits unter anderem von der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen für willkürliche Inhaftierungen, vom Ausschuss der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes und vom Sonderberichterstatter über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung festgestellt, verstößt die Inhaftierung von Kindern gegen die internationalen Menschenrechtsnormen [2].
Nach Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 haben die Mitgliedstaaten eng zusammenzuarbeiten, dabei insbesondere Möglichkeiten der Familienzusammenführung gebührend Rechnung zu tragen und im Fall unbegleiteter Minderjähriger so bald wie möglich geeignete Schritte zu unternehmen, „um die Familienangehörigen, Geschwister oder Verwandten des unbegleiteten Minderjährigen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu ermitteln“.
Ist die Kommission über diese Situation im Bilde? Welche Maßnahmen beabsichtigt sie zu treffen, um Alternativen zur Freiheitsentziehung zu fördern, die Familienzusammenführung mit Verwandten in Griechenland zu beschleunigen und, selbst wenn es keine Verwandten gibt, für die sichere Umsiedlung unbegleiteter minderjähriger Asylbewerber zu sorgen?
Antwort von Herrn Avramopoulos im Namen der Kommission
Der Schutz von Kindern ist in der Migrationspolitik der EU eine zentrale Priorität. Das EU-Recht sieht vor, dass die Verwaltungshaft und damit auch die Schutzverwahrung als letztes Mittel in Ausnahmefällen und nur wenn unbedingt erforderlich verhängt werden sollte; der Zeitraum sollte möglichst kurz sein und die Unterbringung sollte nicht in einer Haftanstalt erfolgen. Die Kommission hat vor Kurzem festgestellt, dass es „[s]owohl auf dem Festland als auch auf den Inseln generell an angemessenen Unterkünften für unbegleitete Minderjährige [mangelt]. Die griechischen Behörden sollten das Verfahren beschleunigen, mit dem mit finanzieller Unterstützung der EU in ganz Griechenland 2000 zusätzliche Aufnahmeplätze […] geschaffen werden sollen. In allen griechischen Aufnahmezentren wurden Kinderschutzteams benannt, die nun entsprechend geschult werden.“ Die nationalen Behörden müssen daher sicherstellen, dass für minderjährige Migranten genügend brauchbare Alternativen zur Schutzverwahrung zur Verfügung stehen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden auch EU-Mittel bereitgestellt.
Im Jahr 2017 wurden nach Angaben des griechischen Asyldienstes 9168 Dublin-Übernahmeersuchen zur Familienzusammenführung, aufgrund eines Abhängigkeitsverhältnisses oder aus humanitären Gründen an andere Mitgliedstaaten gestellt und 4758 Überstellungen durchgeführt, darunter auch von unbegleiteten Minderjährigen; im Jahr 2016 wurden 4912 Übernahmeersuchen gestellt und 962 Überstellungen durchgeführt. Die Kommission beobachtet die Situation weiterhin genau und hat darauf hingewiesen, dass die Kapazitäten des griechischen Asyldienstes – einschließlich des griechischen Dublinreferats – weiter gestärkt werden müssen, um den Betrieb tragfähiger zu gestalten und insgesamt zu verbessern.
Was die Umverteilung aus Griechenland anbelangt, so wurden 21 999 Personen, darunter 546 unbegleitete Minderjährige, aus Griechenland in andere Mitgliedstaaten umverteilt.
[1] Human Rights Watch und verschiedene Studien, zu denen auch ein Bericht im Auftrag der Kommission gehört, stimmen darin überein, dass eine Inhaftierung bei Kindern schwere Langzeitfolgen, wie Entwicklungsstörungen, Angstzustände, Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen und Gedächtnisverlust, haben kann:
- http://odysseus-network.eu/wp-content/uploads/2015/02/FINAL-REPORT-Alternatives-to-detention-in-the-EU.pdf
- https://www.hrw.org/news/2018/01/23/asylum-seeking-kids-locked-greece
- http://www.unhcr.org/58a458eb4
[2] Generalversammlung der Vereinten Nationen: New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten. Resolution der Generalversammlung vom 3. Oktober 2016, A/RES/71/1: „Wir, die Staats- und Regierungschefs und Hohen Vertreter, […] werden [außerdem] Alternativen zur Freiheitsentziehung suchen, solange diese Bewertungen noch nicht abgeschlossen sind.“ In: http://www.un.org/depts/german/gv-71/band1/ar71001.pdf. Allgemeine Bemerkung Nr. 21 (2017) des Ausschusses der Vereinten Nationen für die Rechte des Kindes zur Situation von Straßenkindern, vgl. Ziffer 44: Die Freiheitsentziehung, beispielsweise durch Polizeigewahrsam oder Unterbringung in geschlossenen Einrichtungen gilt in keinem Fall als Schutzmaßnahme.