Es ist eine der schönsten Gegenden auf diesem Globus. Atemberaubend der Blick hinunter aufs Meer, im Hintergrund die schneebedeckten Gipfel des Olymp. Die alten Griechen hatten hier ihre Götter verortet. Wo sonst. Am Sonntag war ich mit meiner Kollegin Ana Gomes (S&D-Portugal) im idyllischen Petra. Es war viel mehr als eine „Fact-Finding Mission“. Wir wollten ein Zeichen der Verbundenheit mit den Jesiden setzen. Die meisten von ihnen sind seit August 2014 auf der Flucht. Damals hatten die IS/Daesh-Terroristen mit dem Genozid an dieser religiösen Gruppe, deren Geschichte viel älter ist, als die der Muslime oder Christen begonnen. Furchtbares haben sie mitgemacht, ihre Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht, Männer und alte Frauen wurden erschossen, geköpft und in Massengräbern verscharrt. Junge Frauen und Mädchen wurden gefangen genommen, versklavt und auf das Übelste missbraucht. So etwas lastet auf den Menschen. Wann immer man mit Jesiden zusammen ist, landet das Gespräch bei diesen traumatischen Erfahrungen. Viele wollen bloß, dass man ihnen zuhört.

Im Gespräch mit jesidischen Flüchtlingen.

Josef Weidenholzer im Gespräch mit jesidischen Flüchtlingen.


Zu den historischen Erfahrungen der Jesiden gehört es, dass ihnen wenige zuhören. Ihre Urangst ist es, vergessen zu werden. 74-mal in ihrer Geschichte waren sie von einem Genozid betroffen. Unrecht und Verfolgung waren alltägliche Erfahrungen. Sogar nach geglückter Flucht. Ich habe in den letzten beiden Jahren immer wieder Kontakt zu geflüchteten Jesiden gesucht. Ich habe es im Jänner 2015 dem Baba Sheikh versprochen.
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Treffen mit Baba Sheikh, dem Oberhaupt der Jesiden, im Vorjahr.


Egal, ob im türkischen Diyarbakir oder im griechischen Idomeni und den daraus hervorgegangen Auffanglagern, Verfolgung und Diskriminierung sind allgegenwärtig. Immer wieder wurden Jesiden tätlich angegriffen. Im August haben die griechischen Behörden endlich darauf reagiert und eigene Lager eingerichtet. Der Großteil der Jesiden befindet sich gegenwärtig in Serres und in Petra. Die Zustände sind katastrophal und entsprechen bei Weitem nicht den ohnehin sehr niedrigen Standards griechischer Flüchtlingslager. Zelte, kaum Toiletten und Duschen, keine funktionierende Elektrizitätsversorgung und nicht genießbare Verpflegung. Viele Menschen sind krank, husten. In Serres zeigt mir ein Mann ganz stolz Boxen, mit Hasenställen vergleichbar und meint, dass es den Kindern jetzt besser ginge, weil sie nicht mehr im kalten Zelt schlafen müssten.
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Erschütternd: Selbst gezimmerter Unterschlupf für Flüchtlingskinder.


Die Kälte und vor allem die Angst vor dem nahenden Schnee beunruhigen die Menschen. Vorsorglich haben sie Holz gesammelt, mit dem sie ihre aus Blechkanistern gefertigten Öfen beheizen. Es ist unmenschlich, die Flüchtlinge auf solche Weise der Witterung auszusetzen. Bei unserem Besuch erzählen sie, noch immer ganz verstört, dass in der Nacht ein Wolkenbruch niedergegangen wäre und viele Kinder voll Angst geweint hätten.
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Improvisierter Ofen der Lagerbewohner.


Noch immer kommen mir diese Bilder unter. Nein, und nochmals nein: So etwas darf es in Europa nicht geben. Unseren griechischen Gesprächspartner blieb unsere Betroffenheit nicht verborgen. Sie versprachen innerhalb von 10 Tagen die Menschen in geeigneten Quartieren unterzubringen. Nichts würde ich mir mehr wünschen. Ich hoffe, dass sie dieses Versprechen einhalten. Wenn nicht, dann soll das geschehen, was die alten Griechen an diesem magischen Gipfel des Olymp verorteten: Dann soll sie der Zorn des Göttervater Zeus treffen, der mit Blitz und Donner Frevler und Untreue bestrafte.

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