Referat von Josef Weidenholzer bei der Gedenkveranstaltung der SPÖ in Mauthausen am 13.02.2014
Ich freue mich sehr, dass ich heute bei Eurer Feier zum Gedenken an die Ereignisse des 12. Februar sprechen darf. Ich bedanke mich für die ehrenvolle Einladung und vor allem dafür, dass ihr diesen Tag nicht in Vergessenheit geraten lässt. Obwohl ich im Laufe meines politischen Lebens schon oft zu diesen Ereignissen das Wort ergriffen habe, ist es für mich immer wieder aufs Neue eine Herausforderung.
Immer wieder frage ich mich, warum uns dieser 12. Februar 1934 noch immer bewegt. Warum wir Sozialdemokraten auch nach mittlerweile 80 Jahren darüber reden müssen. Und warum die meisten Konservativen auch nach 80 Jahren noch nicht darüber reden wollen. Ja sollten wir nach so vielen Jahren nicht einfach damit aufhören, in den Wunden des Vergangenen zu wühlen oder vielleicht großzügig darüber hinwegsehen? Gibt es denn heute nicht viel wichtigere Dinge, derer sich die Sozialdemokratie annehmen sollte? Das stimmt zweifelsohne. Die Menschen erwarten von uns politische Antworten auf die drängenden Fragen der Gegenwart. Rasch und unzweideutig. Sie wollen wissen, ob wir ihre Zukunftsängste ernst nehmen.
Angst ist heute allgegenwärtig. Die Angst um den Arbeitsplatz, die Angst den mühsam erworbenen Wohlstand zu verlieren oder ihn mit anderen teilen zu müssen. Angst ist ein problematischer Wegbegleiter des Politischen. „Angst essen Seele auf“ sagte der Filmregisseur Rainer- Werner Fassbender einmal. Ängste zu schüren gehört zum Standardrepertoire der Volksverführer. In der Vergangenheit genauso wie in der Gegenwart. Deshalb muss verantwortungsvolle Politik die Sorgen der Menschen ernst nehmen und sie beantworten. Die Sozialdemokratie hat sehr gute, ja sie hat die richtigen Antworten. Sie steht für mehr und bessere Jobs, für Recht und Sicherheit und dafür, dass jeder Mensch gleich viel wert ist.
So einfach und vernünftig diese Botschaft ist, so schwer ist sie gegenwärtig zu vermitteln. Die Menschen sind verunsichert, weil sie spüren, dass wir uns in einer historischen Krise befinden.
Und weil das so ist, müssen wir gerade heute wieder über 1934 reden. Ja und wir müssen unsere Finger auf die schon lange vernarbten Wunden legen. Das sind wir nicht nur den Opfern schuldig.
Im Zusammenhang mit dem 12. Februar hatte der Grundsatz, dass wir aus der Geschichte lernen könnten, noch nie so eine Berechtigung wie jetzt. So wie die Gründer der Zweiten Republik ihre, in der damaligen Situation durchaus richtigen Lehren gezogen hatten, sich zur politischen Mäßigung zwangen und das System der Sozialpartnerschaft zu entwickeln begannen, so müssen wir auch heute wieder dazu bereit sein, über den Tellerrand zu blicken. Aus heutiger Sicht war es damals vielleicht etwas voreilig, sich die Hände zu reichen, ohne zu klären, was eigentlich vorgegangen, also der Katastrophe vorausgegangen war. All zu schnell hatte man sich nämlich darauf geeinigt, die Verfassung in der Fassung von 1929 wieder in Kraft zu setzen. Niemand wollte darüber reden, ob diese wirklich tauglich war, den neuen Herausforderungen gerecht zu werden.
Ganz anders waren die Konsequenzen, die unsere deutschen Nachbarn zogen. Sie verwarfen die Weimarer Verfassung und schufen eine auf dem Grundgesetz basierende Rechtsordnung.
In Österreich gab es nicht einmal den Versuch einer Diskussion. In der Nachkriegszeit hatte man nämlich den Focus auf bedingungslose Zusammenarbeit gelegt. Der Krieg der Worte dürfe sich nie wieder in einen Krieg der Waffen ausweiten. Es war nicht falsch, was meine Elterngeneration da machte. Vor allem war es klug, weil in einem Land, wo der Ost-West Konflikt quer durch das Bundesgebiet verlief, dies die real existierende Gefahr einer Teilung des Staatsgebietes verstärkt hätte.
Die Probleme wurden allerdings damit nicht aus der Welt geschafft. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben sagt der Volksmund zutreffend.Im Gegensatz zu Deutschland blieb die Bewältigung der Vergangenheit aus. Österreich als erstes Opfer der Nazi- Agression. Mit dieser Notlüge ließ sich gut leben. Da war es dann auch nicht mehr schwierig der Welt weiszumachen, dass Hitler ein Deutscher und Beethoven ein Österreicher war. Bis zur Waldheim Affäre Mitte der 1980-er Jahre belogen wir uns also selbst und das mit nachhaltigen Konsequenzen. In einer auf diese Weise entpolitisierten Landschaft konnten später Figuren, wie Haider, Strache oder Stronach gedeihen. Eine unmittelbare Auswirkung dieses Vergangenheitverdrängens war die Ausblendung der Umstände, weshalb es überhaupt zu den Februarereignissen gekommen war. Das lag durchaus im Interesse der ÖVP. Wenn man nicht über die Schuld an der „großen“ Katastrophe des Nationalsozialismus redete, wieso sollte man sich denn dann mit der „kleinen“ Katastrophe des Austrofaschismus beschäftigen? Das erklärt unter anderem, wieso man kein Unrechtsbewusstsein hatte, ein Bild des Diktators Dollfuß im Parlamentsklub der ÖVP aufzuhängen.
Erst in den 1970-er Jahren regte sich ein diesbezügliches Unrechtsbewusstsein. Das waren jene Zeiten, als man begann, sich vorsichtig an die Aufarbeitung der Vergangenheit zu machen. Gefördert durch Sozialdemokraten wie Bruno Kreisky, Engelbert Broda oder Herta Firnberg und beflügelt durch einen von kritischer Auseinandersetzung mit allem Etablierten getriebenen Zeitgeist. Ich hatte das Privileg damals dabei sein zu dürfen. Als junger Assistent bei Karl R. Stadler an der Linzer Universität. Gemeinsam mit engagierten Kollegen begannen wir das andere Österreich zu rekonstruieren, das Österreich der Arbeiterbewegung, deren Führer man ins Ausland vertrieben hatte, das Österreich der Verfolgten und Vertriebenen, über die man den Mantel des Schweigens gelegt hatte und das Österreich der Täter und opportunistischen Profiteure, deren Schatten das geistige Klima erstickten.
An unserem Institut hatten wir auch die erste empirische Untersuchung über rechtsextreme und autoritäre Tendenzen im Bewusstsein der österreichischen Bevölkerung durchgeführt.
Die Ergebnisse waren erschreckend und ließen vorausahnen, was noch auf uns zukommen sollte. Wir prognostizierten damals, dass eine rechtsautoritäre Partei bis zu einem Viertel der Bevölkerung gewinnen könnte. Unsere Befunde, Argumente und Sorgen wurden beiseite geschoben, ja belächelt. Wir würden in der besten und der stabilsten aller Welten leben. Österreich wäre eine Insel der Seligen. Das offizielle Österreich schwebte damals in einer Wolke der Harmoniesucht und Selbstgerechtigkeit. Nur ja nichts aufrühren, nur ja nicht nachfragen. Diese Ignoranz rächt sich heute.
Die Finanzkrise hat Gesellschaft und Politik erfasst. Die Menschen sind orientierungslos und haben das Vertrauen in die Politik und die demokratischen Institutionen verloren. Es fällt mir schwer das zu sagen, aber es ist leider zutreffend, die Situation gleicht jener der Dreißiger Jahre. So wie damals sehnen sich auch heute die Menschen nach Alternativen. So wie damals sind jene, die das Übel – die Dominanz des Finanzkapitals- an der Wurzel anpacken wollen, mangels politischer Mehrheit, dazu nicht in der Lage. Sowie damals wird die Schuld bei den anderen gesucht, werden Sündenböcke erfunden und vor allem wird der Hass auf die Parteiendemokratie geschürt.
Und das sollte bei aller Harmoniesucht nicht vergessen werden. Es gibt keine geteilte Schuld. Schuld haben jene auf sich geladen, die mit Worten und Taten die Demokratie sukzessive ausgehöhlt und schließlich kaputt gemacht haben. Darüber kann man nicht hinwegsehen. Natürlich heißt das nicht, dass man sich nicht versöhnen sollte. Aber das ist ein anderes Kapitel. Versöhnung heißt doch, etwas zu vergeben. Wenn ich das mache, dann muss ich doch wissen, was der andere gemacht hat. Und zu wirklicher Versöhnung gehört auch das Einbekenntnis von Schuld. Es war Bruno Kreisky, der immer wieder auf die Schlüsselrolle der Februarereignisse verwiesen hat. Sein berühmter Ausspruch: „Lernen Sie Geschichte, Herr Redakteur“ war darauf gemünzt.
Und er hatte Recht, wenn er darauf bestand, die Schuldfrage nicht fallen zu lassen: „Wir sagen das alles heute nicht aus Rechthaberei, sondern einfach deshalb, weil sich in der Demokratie jede Sünde wider den Geist der Demokratie rächt und rächen muss.“ Die Geschichte der ersten Republik ist eine Geschichte voller Verhängnisse und Fehler. Sie war eine Republik, die von den Herrschenden nicht gewollt war. Jahrhundertelang war Österreich von einem Bündnis von Thron und Altar beherrscht gewesen. Das Volk hatte wenig zu reden. Alle Versuche, sich Mitsprache zu sichern, wurden entweder niedergeschlagen oder ausgesessen. Zu wirklichen Reformen war man unfähig. Über die Regierungskunst der Habsburger sprach man gern von der Kunst des Durchwurstelns.
Mit der Niederlage im 1.Weltkrieg brach das Habsburgerreich wie ein Kartenhaus zusammen. Die Konservativen und Christlich-Sozialen konnten sich nur schwer damit abfinden. Ihren bisherigen politischen Einfluss verdankten sie den Herrschenden und deren schützender Hand. Er war gleichsam gottgegeben. Mit dem Zusammenbruch 1918 verloren sie diesen Halt. Das Land lag darnieder, die öffentliche Ordnung war zusammengebrochen und die Menschen froren und hungerten. Es galt, das Ärgste zu verhindern. Und es gab in diesen Kreisen auch Kräfte, die bereit waren, anzupacken und pragmatisch an die Dinge heranzugehen. Auch unter demokratischen Bedingungen. Und auch mit den, bis zu diesem Zeitpunkt als „vaterlandslose Gesellen“, verfemten Sozialdemokraten. Die Sozialdemokratie hatte seit ihrem Gründungsparteitag in Hainfeld darauf gesetzt, über Wahlen die Mehrheit in den Parlamenten zu erzielen. Ihr Ziel war es eine, gerechtere, eine sozialistische Gesellschaftsordnung zu errichten.
Der Zusammenbruch der Monarchie eröffnete plötzlich die Perspektive zu einer sozialistischen Umwälzung. Wegen seiner geographischen Lage spielte der deutsch-österreichische Rest des Habsburgerreichs eine zentrale Rolle bei der Frage, ob sich die russische Revolution nach Kontinentaleuropa ausbreiten würde. Der berühmte Funke überspringen könnte. Viel kam auf die österreichische Sozialdemokratie an. Sie hatte es in der Hand, Geschichte zu machen. Und sie schrieb Geschichte, in dem sie sich entschied, auf dem Boden der Realität zu bleiben und die Menschen nicht einem riskanten Spiel mit einer ungewissen Zukunft auszusetzen. Zunächst galt es, die Versorgung der notleidenden Bevölkerung sicherzustellen und gleichzeitig einen verfassungsrechtlichen Rahmen zu schaffen, der einen demokratischen Übergang zum Sozialismus ermöglichte. Ja, man wollte eine andere Gesellschaftsordnung, eine revolutionäre Veränderung, allerdings nur dann, wenn die Mehrheit der Bevölkerung damit übereinstimmte. Revolution mit dem Stimmzettel. Diese verantwortungsbewusste Haltung der Sozialdemokratie sei all jenen in Erinnerung gerufen, die so leichtfertig von geteilter Schuld oder vom zerstörerischen Verbalradikalismus reden.
Der vom Sozialdemokraten Karl Renner angeführten rot-schwarzen Koalitionsregierung gelang es, Not und Elend entscheidend zu lindern, das Staatsgebiet zu konsolidieren und eine Bundesverfassung zu verabschieden. Sie machte Österreich auch zu einem Vorreiter in der Sozialgesetzgebung. Der Achtstundentag wurde eingeführt und Österreichs Arbeiter waren die ersten auf der Welt, die Anspruch auf bezahlten Urlaub bekamen. Das Land war zum ersten Mal eine Demokratie. Unter schwierigen Umständen war großartiges gelungen. Otto Bauer nannte es die „Österreichische Revolution“. Daran waren nicht nur SD beteiligt, auch das sei gesagt. In der Christlich-Sozialen Partei formierten sich aber bald jene Kräfte, die in der schwierigen Zeit grollend zugeschaut und zugewartet hatten. Sie fühlten sich überrumpelt und trachteten danach, alles wieder rückgängig zu machen. Weg mit dem revolutionären Schutt hieß es. Man wollte nicht akzeptieren, dass nun jeder mitreden konnte. Es war schlicht unerhört für diese Kreise, dass man sich nun mit Betriebsräten oder Gemeinderäten auseinandersetzen musste, die man vorher als bloße Befehlsempfänger und Untertanen betrachtete. Die Gewerkschaften wurden als zerstörerische, lediglich Partikularinteressen vertretende Gruppen hingestellt. An deren Stelle müsse eine Volksgemeinschaft, gegliedert in Berufsstände treten. Das Parlament wäre bloß eine Arena für Parteieninteresse, man müsse das Ganze sehen. Daher gelte es, eine „Wahre Demokratie“ herzustellen, bei es vor allem darauf ankomme, dass die wirklichen Führer an die Spitze kämen.
Solche Ideen geisterten durch die intellektuellen Zirkel in der akademischen Welt und in den Medien. Politisch und finanziell unterstützt durch Unternehmer und Bankiers und ideologisch abgestützt durch die Definitionsmacht der katholischen Kirche. Im besonderen war es der Landadel, der dafür sorgte, dass sich militarisierte Verbände gründeten, sogenannte Heimwehren. Unser Bundesland, OÖ war ein besonders fruchtbarer Boden dafür. Fanny Starhemberg attackierte die auf dem Boden der Verfassung stehenden Christlich-Sozialen, in dem sie diesem mit dem Bauern-Geselchten verglich: „Außen schwarz und innen rot“.
Seit der Gründung der Republik stand diese also fundamental unter Druck. Ideologisch war sie einem intellektuellen Dauerfeuer ausgesetzt und der von reaktionären Kreisen inszenierte Druck der Straße nahm ständig zu. Die Sozialdemokratie reagierte mit der Gründung eines Schutzbundes, der wie sein Name zum Ausdruck brachte, die Republik schützen sollte. Im Übrigen versuchte man jene Bereiche abzusichern und auszubauen, wo man an der Macht war. Also in den Städten und im besonderen in Wien, das ja Gemeinde und Bundesland zugleich war. Das „Rote Wien“ wurde zur Musterstadt. Weltweit bewundert als Beispiel für sozialdemokratische Kommunalpolitik. Die Konservativen im eigenen Land wurden freilich nicht müde, das Rote Wien als die Quelle allen Übels schlecht zu reden. Es gab also einen sofort ins Auge fallenden fundamentalen Gegensatz in der österreichischen Politik, der sich fortwährend in konfrontativen Auseinandersetzungen auflud. Immer wieder kam es zu gewalttätigen Zusammenstößen. Die Justiz arbeitete diese Vorfälle sehr parteiisch auf. Als im Juli 1927 die Mörder von Schattendorf freigesprochen wurden entlud sich der Zorn der Menschen. Der Justizpalast wurde in Brand gesetzt und die Regierung ließ auf die Demonstranten schießen. Mit katastrophalen Folgen. 89 Menschen wurden getötet und über 1000 verletzt. Der Bundeskanzler im Priesterkleid hieß fortan bei der Arbeiterschaft „Prälat ohne Milde“.
1927 bedeutet einen Wendepunkt. Die Arbeiterbewegung schien gebrochen. Vor allem fielen die Hemmungen auf der bürgerlichen Seite notfalls Gewalt einzusetzen, um den Einfluss der Sozialdemokratie zu beschränken. Da halfen auch wiederholte Abrüstungsverhandlungen und die Verlautbarung einer neuen, im Sinne der Parlamentarismuskritik die Rolle des Bundespräsidenten stärkenden Verfassung im Jahr 1929 nichts. Hier waren die SD den Bürgerlichen weit entgegengekommen. Ein weiterer Beweis, dass es der Linken, auch in Zeiten höchster Erniedrigung darum ging, die demokratischen Strukturen zu bewahren.
Die erste Republik war aber nicht nur eine Zeit der Konfrontation und des verbalen Schlagabtausches, sie war vor allem eine Zeit verfehlter Wirtschaftspolitik. Der Staatshaushalt wurde niedergespart, die Löhne waren niedrig und die Arbeitslosenziffern hoch und die Investitionen flossen spärlich. Es ist bezeichnend, dass die österreichische Wirtschaft erst 1937 das Niveau von 1913 erreichte. Dies hing auch damit zusammen, dass Österreich von einem Auslandskredit, der sogenannten Völkerbundanleihe abhängig war. Damit waren, so wie heute in den südeuropäischen Krisenländern Auflagen verknüpft. Was für Griechenland heute die Troika ist, das war damals der Völkerbundkommissar. Dessen Einfluss war außergewöhnlich und letztlich fatal. So schrieb der Vertreter des Völkerbundes, der niederländische Diplomat Rost van Tonningen, über die Hintergründe der Ausschaltung des Parlaments im März 1933: „Zusammen mit dem Kanzler und [Nationalbank-Präsident] Kienböck haben wir die Ausschaltung des Parlaments für nötig gehalten, da dieses Parlament die Rekonstruktionsarbeit sabotierte.“
Es ist nicht schwer auszumachen, wen man da als „Saboteure“ da im Auge hatte. Erraten. Und es ist schon sehr infam, dann nach außen hin von einer „Selbstausschaltung“ des Nationalrates zu sprechen. Der 5.März 1933 bedeutete noch nicht das vollständige Ende der Demokratie in Österreich. Noch gab es die Sozialdemokratie, auch wenn deren Handlungsspielraum schon sehr eingeschränkt war. Noch gab es einen Bundesrat und neun Landtage, die demokratisch gewählt waren. Deren Einfluss versuchten die immer rabiater werdenden Heimwehren, die in der Bundesregierung bereits den Sicherheitsminister stellten zu beschränken.
Auf diesem Hintergrund ist das alles zu sehen, was am 12.Februar 1934 geschah. Ja es war eine Verzweiflungstat von Richard Bernaschek, als er sich der auf die Parteizentrale der oöSD umgeleiteten Waffensuche durch die Sicherheitskräfte entgegenstellte und damit den Februaraufstand auslöste. Es war der vergebliche Versuch, die demokratische Ordnung in Österreich zu verteidigen. Es war das erste Mal, dass sich jemand in Europa offensiv einer faschistischen Machtergreifung widersetzte. Nicht einmal die traditionsreiche SPD war dazu in der Lage gewesen.
Die Bilanz war schrecklich. Mehr als 1000 Tote und Verletzte auf beiden Seiten. Neun Schutzbündler, darunter Kolomann Wallisch und Karl Münichreiter wurden hingerichtet. Obwohl Engelbert Dollfuß vorgab, mit der Ausrufung des Ständestaates, Österreich vor einer nationalsozialistischen Machtergreifung zu bewahren bewirkte er genau das Gegenteil. Mit der nun noch ungehemmter betriebenen Austeritätspolitik vergrößerte er das Heer der Arbeitslosen, die auf die Versprechungen der Nazis hereinfielen. Mit seiner Politik der Ausgrenzung und Verfolgung der SD schwächte er die Widerstandkraft der österreichischen Bevölkerung gegen die aggressive Politik Hitlerdeutschlands.
Als die deutschen Truppen im März 1938 in Österreich einmarschierten, da fiel ihnen das Land wie eine reife Frucht zu. Und darum müssen wir SD an jedem 12.Februar daran erinnern, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte. Wir dürfen nicht müde werden, daran zu erinnern, wer schuld trägt, dass es soweit gekommen ist. Und für unser politisches Handeln sollte Kreiskys Vermächtnis gelten, dass sich „jede Sünde wider den Geist der Demokratie rächt“. Wenn wir uns darum redlich bemühen, dann waren die Opfer jener, die die Fahne der Demokratie hochgehalten haben, nicht vergeblich.