Die Zeitungen sind voll von Ausblicken auf die Zukunft. Wird der Euro überleben, wird Griechenland die ihm aufgezwungen Sparziele verfehlen, erwischt es Italien? Wie soll man sein Vermögen schützen? Immobilien, Gold oder auf die EZB vertrauen?
 
Kein Tag vergeht ohne irgendwelche Analysen von Börsengurus, die schon immer alles wussten oder Szenarien, denen man die Sorgenfalten ankennt, die die Chefvolkswirte der großen Banken berufsmäßig aufziehen. Dieses sich wie eine Mure durch sämtliche Medien wälzende Konglomerat an Prognosen, Horrorszenarien und Beschwichtigungen verunsichert nicht nur die Anleger, sondern auch die vielen um ihr Erspartes Besorgten. Es zerstört die Vertrauensbasis, ohne die Wirtschaft nicht funktionieren kann. Und natürlich ist es die Basis für die Anlagestrategien der großen Fonds. Strategie ist freilich schon lange keine mehr zu erkennen. Eher sind das hypernervöse Versuche, vermeintliche oder tatsächliche Risken zu minimieren.
In finanzen.net, dem popuären Finanzportal des Springer Verlages (7 Millionen Zugriffe im Monatsschnitt) kann man am 25.9.2003 folgendes lesen:

In Deutschland kommt die Wirtschaft nicht vom Fleck. Andere Länder in der EU starten dagegen durch. Vor allem in Spanien, Griechenland und Österreich läuft es gut.
Im Gegensatz zu Spanien fallen die Konjunkturprognosen für Deutschland düster aus. So hat der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Einschätzung bekannt gegeben, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr nicht zulegen werde. Für 2004 sind die Experten aus Washington ebenfalls pessimistisch: Sie prognostizieren für die Bundesrepublik ein Wirtschaftswachstum von nur 1,5 Prozent.??Bislang hat die Konjunkturflaute hier zu Lande dem Dax nicht geschadet. Die Frage ist nur, wie lange noch. An warnenden Stimmen fehlt es nicht. Nach Meinung von Norbert Walter, Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, spiegelt das derzeitige Kursniveau die tatsächliche wirtschaftliche Situation nicht wider. Er rechnet mit Rückschlägen. Auch Michael Heise, Chef-Volkswirt der Allianz, überzeugt die Klettertour des deutschen Börsenbarometers nicht. Eine echte Trendwende könne nur durch mehr Binnenwachstum erfolgen – und durch die Auflösung des Reformstaus.
Griechenland: Reformen … So wie in Griechenland. “Die Regierung reformiert die Sozialversicherungssysteme, beschleunigt Privatisierungen und schafft mit niedrigen Steuersätzen Investitionsanreize“, sagt Ralph Luther, Berater des Hellas-Olympia-Fonds der Berenberg Bank. Das zahlt sich aus. Inzwischen übertreffen die Wachstumsraten Griechenlands die offiziellen Prognosen.??So hatte die Regierung von Ministerpräsident Kostas Simitis für das zweite Quartal 2003 eine Zunahme von 3,8 Prozent vorausgesagt. Tatsächlich waren es aber 4,5 Prozent. In dieser Größenordnung dürfte das Bruttoinlandsprodukt auch 2004 wachsen, schätzt Nicholas Garganas, Chef der griechischen Nationalbank. Folge: Die kräftige Konjunktur stabilisiert die Börse in Athen.
… und die Olympischen Sommerspiele ??Einer der Gründe für die brummende Wirtschaft sind die Olympischen Sommerspiele, die im kommenden Jahr in Athen stattfinden. “Davon profitieren Unternehmen, die mit dem Bau der Wettkampfstätten und den Verbesserungen der Infrastruktur beauftragt sind”, sagt Luther.??Auch Tech-Unternehmen freuen sich: Mit vier Milliarden Euro aus EU-Fördermitteln wird die antiquierte Computertechnik Griechenlands auf den neuesten Stand gebracht. Hotels und Reiseveranstalter zählen ebenfalls zu den Gewinnern der Spiele. ??Niedrige KGVs und hohe Dividendenrenditen an Athens-Stock-Exchange-Index??Für Vertrauen bei den Investoren sorgt auch der Sparkurs der Regierung: Was Deutschland und Frankreich nicht schaffen, ist für Griechenland offenbar kein Problem. Das Land erfüllt klar die Defizitkriterien des Stabilitätspakts. “Auch die Reduzierung der Gesamtverschuldung macht Fortschritte”, freut sich Luther.??Ein weiteres Plus: die relativ günstige Bewertung der Aktien. So liegt das Kurs/Gewinn-Verhältnis der im Athens-Stock-Exchange-Index (ASE) gelisteten Unternehmen bei zwölf. Die Werte im Euro Stoxx 50 bringen es dagegen auf ein KGV von 15. Auch die durchschnittliche Dividendenrendite griechischer Titel lockt. Mit 4,1 Prozent ist sie die höchste in Europa.
Österreich: Frischer Wind durch Privatisierungen … Regierungsunterstützung für die Börse gibt es auch in Wien. So hoch wie in Griechenland fallen die Wachstumsprognosen für Österreich zwar nicht aus – für 2004 werden nur zwei Prozent vorausgesagt –, doch andere Faktoren machen auch die Börse in Wien zu einem interessanten Anlageplatz.??Da sind zum einen die von der Regierung in Angriff genommenen Privatisierungen. Sie sorgen für frischen Wind auf dem Parkett. Zum anderen versucht Finanzminister Karl-Heinz Grasser in Österreich eine Aktienkultur zu begründen. “Er stellte sicher, dass Privatanleger bei Börsengängen der großen Staatsunternehmen nicht benachteiligt werden”, sagt Manfred Zourek, Fondsmanager des Espa Stock Vienna von Erste Sparinvest.?
(Hervorhebungen durch Joe Weidenholzer)

Acht Jahre sind seit diesen „Prognosen“ vergangen. Klar daneben kann man da nur sagen. Was war das wirklich, was die Experten damals zum Besten gaben? Eine wissenschaftlich fundierte Analyse? Mitnichten. Das fällt schon eher in die Kategorie nachgeplappert und Wichtigtuerei. Vorsätzliche ideologische Meinungsmache wird man es wohl auch nennen dürfen. Bemitleidenswert sind jene, die auf dieser Basis sich entschieden, ihre Gelder in Griechenland anzulegen. Das waren nicht wenige. Drum: Trau keinem, der sich Chef-Volkswirt nennt.
Zum Weiterlesen:
http://www.finanzen.net/nachricht/fonds/Laenderfonds-Europas-zweites-Gesicht-96404