Letzte Woche hatte ich eine beeindruckende Begegnung. Auf Einladung einer langjährigen Bekannten nahm ich im Kulturzentrum „Alter Schlachthof“ in Wels an einem Begegnungsabend mit einer Gruppe aus dem Piemont teil.
Schon seit einiger Zeit verfolge ich über face-book dieses Projekt einer „laizistischen Pilgerreise“ von Borgo San Dolmezzo nach Auschwitz. Eine Gruppe von Theaterleuten der Compania Il Melarancio um Gimmi Basilotta wandert, logistisch unterstützt, Schritt für Schritt entlang der Bahnstrecke, auf der im Februar 1944 von den Nazis eine Gruppe von 26 Juden, die im Polizeigefängnis von Borgo inhaftiert waren in das Vernichtungslager deportiert wurden.
Jeden Morgen um 8 Uhr wird vom jeweiligen Bahnhof losmarschiert, unterwegs trifft die Gruppe mit Menschen entlang des Weges zusammen, abends kommt es meist zu Begegnungen mit Menschen aus den jeweiligen Etappenzielen.
Über 70 mal, Etappe für Etappe, vom äußersten Westen Italiens, vom Piemont über die Lombardei, das Trentino, Tirol, Salzburg, Ober- und Niederösterreich, Mähren nach Schlesien. Dort liegt Auschwitz.
Die Gruppe durchwandert die Mitte Europas, wie es viele vor ihnen in der Geschichte auch getan haben. Sammelt Eindrücke, rekonstruiert Vergangenes, das sich den dazu Bereiten im allseits Gegenwärtigen darbietet. Behutsam, Schritt für Schritt, wie es nur Wandernden möglich ist.
Die Gruppe der Deportierten, deren nicht mehr vorhanden Spuren die Pilger so nahe wie möglich kommen wollen hatte diese Möglichkeit nicht. Eingepfercht in Güterwaggons der Deutschen Reichsbahn, verängstigt und geplagt von Ungewissheit haben sie wahrscheinlich wenig von der Gegend mitbekommen. Drei Tage dauerte ihre Fahrt in die Vernichtung.
Die laizistischen Wallfahrer wollen daran erinnern, sich selbst und alle Menschen, die ihnen auf ihrem behutsamen Weg durch die Mitte Europas begegnen.
Sie machen das zu einem Zeitpunkt, wo die Erinnerung an das Vergangene in selbstgerechter Ritualisierung erstarrt, während gleichzeitig die Bedingungen dafür, dass sich Geschichte wiederholen kann wachsen.
Es war beeindruckend, mit der Gruppe zu reden, über ihre Erlebnisse und Erfahrungen. Es ist motivierend zu erfahren, was Erinnerung bewegen kann. Es ist notwendig nachzuahmen, was unsere Freunde aus dem Piemont tun, sich einzulassen, auf die Menschen, denen wir überall begegnen können, wenn wir uns die Zeit dazu nehmen.
Link zum Projekt: http://www.viaggioadauschwitz.com