Letzte Woche fand in der Salzburger Resistenz unter großem Pomp der Österreichauftakt des Europäischen Jahres der Freiwilligentätigkeit zur Förderung der aktiven Bürgerschaft statt. Militärmusik (!?), Einsatzfahrzeuge der Blaulichtorganisationen, die Landeshauptfrau, der zuständige Bundesminister und das Staatsoberhaupt wurden aufgeboten, um zum Ausdruck zu bringen wie wichtig die Freiwilligentätigkeit für die Republik ist. Die anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft nahmen das gerne zur Kenntnis. Dem Vernehmen nach war der Andrang so groß, dass bei weitem nicht alle Interessierten eingeladen werden konnten.
In den Festreden wurde ausführlich die Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements und der ehrenamtlichen Tätigkeit gewürdigt und darauf hingewiesen welche großartigen Leistungen in Österreich auf diesem Gebiet erbracht werden.
So viel Lob hört man gerne, noch dazu wo diese Tätigkeit oft unbedankt geschieht.
Als wir vor ein paar Jahren begannen, auf europäischer Ebene die Ausrufung des Europäischen Jahres zu lobbyieren da hatten wir durchaus diesen Aspekt im Sinn. Wir wollten aber auch, vor allem in Zeiten der wachsenden Politikverdrossenheit und der um sich greifenden Ökonomisierung aller Lebensbereiche, eine europäische Diskussion über die Notwendigkeit der Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements in Gang bringen, um die aktive Beteiligung der Menschen an der Lösung gesellschaftlicher Probleme zu stärken. Die Kräfte des Gemeinsinns sollten ein Forum bekommen.
In der Tat widerlegen ja die vielen Millionen Menschen, die sich freiwillig in den Dienst der Sache der Gemeinschaft stellen, ohne vom Staat dazu gezwungen oder von der Aussicht auf lukrative Bezahlung dazu bewogen zu werden, eindrucksvoll den Glaubensatz der Ökonomie, dass der Mensch ein homo oeconomicus ist. Menschen engagieren sich offensichtlich auch aus altruistischen Motiven.
Das Europäische Jahr sollte daher nicht nur zum Feiern animieren, vielmehr den Rahmen für eine überfällige Debatte liefern, wie die Freiwilligentätigkeit unter den geänderten Rahmenbedingungen noch wirksamer werden kann.
Freiwilligentätigkeit ist ein sehr wertvolles, ja kostbares Gut. Menschen, die sich dazu entschließen verdienen daher nicht nur öffentliches Lob, sie verdienen im Besonderen einen respektvollen Umgang.
Deren großzügiges Entgegenkommen, sich in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen, darf nicht missbraucht werden.
Gerade in Zeiten der Sparpakete geistern in den Köpfen so mancher politisch Verantwortlicher Ideen herum, die Sozialbudgets durch einen Ausbau der Freiwilligendienste entlasten zu können. Zumeist werden solche Phantasien auf dem Rücken der Frauen ausgelebt. Diese sollen sich wieder verstärkt der Pflege und Betreuung zuwenden und professionelle Dienstleistung ersetzen. Dies ist ein klarer Missbrauch der Freiwilligentätigkeit. Solchen Sandkastenspielen muss mit aller Entschiedenheit entgegengetreten werden. Ebenso respektlos finde ich es, wenn von Jugendlichen bereits bei Studienbeginn oder bei der Arbeitsaufnahme erwartet wird, Erfahrungen im Sozialbereich vorzuweisen. Diese können zumeist nur im Wege der Freiwilligentätigkeit erworben werden. Es darf nicht sein, dass im Sozialbereich eine Generation von Menschen heranwächst, die sich durch kostenlose oder schlecht bezahlte Praktika auf ihre künftige Tätigkeit qualifizieren muss.
Wenn die politisch Verantwortlichen ihre Lobeshymnen auf Freiwilligkeit und Ehrenamt, auf aktive Bürgerschaft und ziviles Engagement wirklich ernst nehmen, dann müssen sie sich mit diesen Bedenken auseinandersetzen. Dann müssen sie einen kritischen Dialog führen, Wege der Partizipation beschreiten und die Zivilgesellschaft nicht als lästiges Bedrohungspotenzial empfinden, wie dies der Innenministerin regelmäßig passiert.
Dann sollten sie auch alles daran setzen, parteipolitische Vereinnahmung zu unterlassen, wie dies just zum Auftakt des Freiwilligenjahres der oberösterreichische Landeshauptmann tat, als er, mittels mit seinem Konterfei geschmückten Anzeigen in den regionalen Medien, den Menschen für ihre freiwillige Arbeit dankte. Da kann man nur sagen: Nein, danke!
Europäische Website:
http://europa.eu/volunteering/de/home2
Österreichische Website:
http://www.freiwilligenweb.at/