Vergangenen Dienstag (18.3) hat der Industrie-Ausschuss (ITRE) über seinen Bericht zur Verordnung über „Binnenmarkt für elektronische Kommunikation“ abgestimmt. Kein guter Tag für die Netzneutralität, da mit konservativ-liberaler Mehrheit die Einführung der umstrittenen Spezialdienste beschlossen wurde. Die endgültige Abstimmung über die Verordnung im Plenum findet am Donnerstag, den 3. April 2014 statt. Bis dahin bleibt noch Zeit, die Abgeordneten von der Bedeutung von Netzneutralität zu überzeugen. In den anderen Ausschüssen wie Bildungs- und Binnenmarkt-Auschuss konnten schließlich schon erhebliche Verbesserungen erreicht werden und die Abgeordneten haben auch in früheren Resolutionen schon mehrmals für den Erhalt und die Sicherung der Netzneutralität abgestimmt. Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen. Hier haben wir einige Punkte rund um Netzneutralität zusammengefasst.
Was bedeutet Netzneutralität?
Netzneutralität bedeutet, dass alle Inhalte vom Netzbetreiber (Provider) gleich schnell und in gleicher Qualität übertragen werden. So funktioniert das Internet. Der Netzanbieter diskriminiert oder bevorzugt nicht, es gibt eine Leitung und alle Inhalte und Dienste werden nach dem end to end Prinzip weitergeleitet. Der Netzanbieter kümmert sich nicht um die Inhalte, sondern leitet diese einfach weiter. Das gewährleistet, dass nicht irgendwelche Dienste gegenüber anderen bevorzugt werden und alle Inhalte und Angebote beim Endnutzer ankommen. Das Internet lebt von Vielfalt. Nur ein neutrales Netz gewährleistet Innovation und dass neue Angebote eben auch beim Endnutzer ankommen. In einem freien und neutralen Netz ist gewährleistet, dass ein Videocast von einem jungen Blogger genauso schnell und qualitativ übertragen wird, wie zum Beispiel das TV Angebot eines großen Privatsenders.
Warum ist der Vorschlag „Verordnung für Binnenmarkt für elektronische Kommunikation“ gefährlich?
Die Kommission versucht mit dieser Verordnung das Prinzip der Netzneutralität zu untergraben und über die Hintertür abzuschaffen. Gesetzlich erlaubt werden soll es, dass sich Inhalte in eine Schnell-Leitung einkaufen können, um schneller übertragen zu werden. Es ist wie eine Maut oder wie wenn sich z.B. die Firma BMW in den Bereitsteller von Autobahnen, der ASFINAG einkaufen könnte und dann auf einer eigenen Schnellfahrbahn fahren darf. Die Kosten für die Schnellfahrbahn werden an die Internetnutzerinnen und Nutzer weitergegeben. Wer drauf zahlt, sind die Konsumenten, die für weniger Auswahl mehr bezahlen müssen. Auch beinhaltet der Vorschlag so genannte Netzsperren, wonach der Netzanbieter / Provider die Inhalte durchsuchen und bewerten darf und auch nach eigenem Gutdünken sperren kann. Das passiert außerhalb der Rechtsstaatlichkeit, diese „private Rechtsdurchsetzung“ lehnen wir ab. Wenn Netzanbieter und große Telekommunikationsunternehmen über Zugänglichkeit von Diensten und Inhalten bestimmen ist das gefährlich für die Demokratie.
Was hat das Europaparlament gemacht?
Federführender Ausschuss sind Binnenmarkt und Industrie-Ausschuss. Im Binnenmarkt-Ausschuss konnten wesentliche Verbesserungen erreicht werden – wozu zum Beispiel die Bestimmung gehört, dass Spezialdienste das Internet nicht beeinflussen dürfen. Die Abstimmung im Industrie-Ausschuss ist ein herber Rückschlag, da die Konservativen mit den Liberalen in einem Antrag die Einführung von Spezialdiensten zugelassen haben. Das ist nicht akzeptabel. Es soll ein Inhalt für alle Inhalte geben – alle Inhalte sollen gleich schnell und in gleicher Qualität übertragen werden. Die Abstimmung in erster Lesung im Plenum ist in zwei Wochen (also am 3. April 2014). Bis dahin bleibt noch Zeit, die Abgeordneten von den Gefahren der Verordnung zu überzeugen. Die Passage um die Spezialdienste darf so nicht bleiben – in den Ausschüssen IMCO und CULT konnten wir das bereits erreichen.
Wer hat ein Interesse an der Abschaffung der Netzneutralität?
Die großen Telekommunikationsunternehmen, die schon lange eine große Profitquelle in der Prioritisierung von Diensten und Inhalten sehen. Da wird eine Abschaffung von Roaming gerne in Kauf genommen, wenn in Zukunft die Gratisdienste wie Skype oder Viber dafür bezahlen müssen in annähernd guter Qualität übertragen zu werden. Die Kosten werden an die Kunden weiter gegeben werden. Die Großen sind es, die bezahlen werden, die kleinen neuen Dienste werden verschwinden – das gefährdet das Internet als Gesamtes. Große Telekommunikationsunternehmen können zudem eigene Dienste entwickeln, die sie über ihre eigene Infrastruktur schneller und besser übertragen – das führt zu Monopolisierung und ist gefährlich von den Wettbewerb. Infrastrukturanbieter und Inhalte-Anbieter sollten getrennt sein.
Was ist die Alternative?
Die gesetzliche Verankerung der Netzneutralität. In den Niedelanden und in Slowenien ist das bereits der Fall. Internetdienste funktionieren aber grenzüberschreitend, deshalb braucht es auch eine europäische Regelung. Hier sollte der europäische digitale Binnenmarkt ansetzen und Netzneutralität gesetzlich verankern. Kommissarin Kroes hat es schon mehrmals angekündigt, der Vorschlag war dann aber sehr enttäuschend. EIne Internet-Poltik im Sinne der BürgerInnen sieht anders aus und sollte ein offenes und freies Netz für alle sichern.
Weitere Information auf der Seite von European Digital Rights: http://edri.org/faq-open-internet-provisions-telecoms-single-market-regulation/ und www.savetheinternet.eu