Am Donnerstag berät das EU-Parlament über die neue Wasser-Richtline – die Sorge um Privatisierung ist nicht unbegründet.
Die EU will unser Wasser privatisieren“, „Achtung: Wasser wird zwangsprivatisiert“ – derartige Warnungen geistern seit geraumer Zeit per Facebook, eMail & Co. durch das Internet und werden auch von einigen Bürgerinitiativen und Politikern geäußert. Oft folgt ein Schreckensszenario, das ungefähr so aussieht: Große Konzerne würden mit Hilfe der EU alsbald im Lande einfallen und sich unser gutes Trinkwasser unter den Nagel reißen – um es dann, in schlechterer Qualität und zu höheren Preisen, an die Bürger zu verkaufen.
Auch wenn sie in der Ausprägung wohl überzogen ist, so ist die Sorge im Kern nicht gänzlich unbegründet.
Konzessionsrichtlinie
Tatsächlich hat die EU-Kommission eine sogenannte Konzessionsrichtlinie vorgelegt, mit der sich am Donnerstag das EU-Parlament beschäftigt. Die Richtlinie soll einheitliche Regeln bringen, wenn etwas von der öffentlichen in die private Hand wechselt. Sie umfasst eine Reihe von Bereichen – unter anderem auch die Wasserversorgung.
Vorweg: Von einer Zwangsprivatisierung ist keine Rede. Es soll auch in Zukunft den Kommunen überlassen bleiben, ob sie selber die Wasserversorgung betreiben oder nicht. Entscheiden sie sich jedoch für eine Privatisierung, dann soll – so der Plan der Kommission – künftig eine europaweite Ausschreibung Pflicht sein. Dort, so fürchten Kritiker, wären die internationalen Multis dann übermächtig.
„Die Privatisierung erfolgt über die Hintertür“, kritisiert der sozialdemokratische EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer. Wohl sei eine Privatisierung nicht zwingend, „aber wenn eine Gemeinde unter finanziellem Druck steht und privatisieren will, dann muss sie europaweit ausschreiben. Schon jetzt gibt es Länder, wo das genau so passiert.“
Beispiel Südeuropa
Weidenholzer bezieht sich auf Portugal und Griechenland: Beide Länder bekommen Hilfsgelder von der EU und müssen Reformen mit den Geldgebern absprechen. Die sogenannte Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank hat auf die Privatisierung mehrerer portugiesischer und griechischer Wasserversorger gedrängt. Durch den Verkauf gibt es zwar Einmal-Effekte für die Budgets – die Rechnung zahlen aber oft die Bürger, wenn die Wasserrechnungen steigen. Laut einem ARD-Bericht sind die Wasserpreise in einem Ort in Portugal nach der Privatisierung um 400 Prozent gestiegen.
Überhaupt gibt es hauptsächlich Negativ-Beispiele: In London seien nach der Privatisierung die Leitungen nicht mehr gepflegt worden, sagt Weidenholzer. In Berlin, wo die Wasserversorgung 1999 teilprivatisiert wurde, hat die Stadt mittlerweile mit dem Rückkauf begonnen – mit erheblichen Verlusten.
Gemeinde-Kooperationen
Aus österreichischer Sicht wäre es u.a. wichtig, dass sich auch künftig mehrere Gemeinden bei der Wasserversorgung zusammentun können, ohne dass dies gleich europaweit ausgeschrieben werden muss. Hier gibt es positive Signale der Kommission für eine Änderung.
Ein zweiter entscheidender Punkt: Konstruktionen mit halböffentlichen Unternehmen, die es in Österreich schon gibt, etwa die Linz AG, die Salzburg AG oder die Styrian Aqua, die schon heute die Wasserversorgung von Gemeinden übernommen haben.
„So öffnet man der Privatisierung die Tür“
SPÖ-Mandatar Weidenholzer wäre es am liebsten gewesen, man hätte die Wasserversorgung gänzlich aus der Richtlinie gestrichen: „Diese Dinge laufen immer graduell, Schritt für Schritt. Jetzt wäre der Zeitpunkt gewesen zu sagen: Wir machen das nicht. Aus. Fertig. So öffnet man der Privatisierung die Tür.“
Jetzt hofft er, dass bis zum endgültigen Beschluss der Richtlinie noch Änderungen durchgebracht werden. Nachdem sich am Donnerstag der Binnenmarktausschuss damit befasst, soll im Frühjahr das Plenum im EU-Parlament abstimmen. Dann geht es in Verhandlungen mit der Kommission und dem Minister-Rat weiter.
Helfen die Verhandlungen nichts, könnte Österreich sich zu guter Letzt noch ein Beispiel an den Niederlanden nehmen, sagt Weidenholzer: Dort schreibt die Verfassung vor, dass Wasser öffentlich angeboten wird.