Der SPÖ-EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer hat Ende September eine Anfrage zu Clean IT bei der EU-Kommission zum Anti-Terror-Projekt Clean IT eingebracht. In der Antwort der EU-Kommission heißt es nun, dass das Projekt eine „Bottom-up-Initiative ohne legislative Ziele“ sei. Die Teilnehmer der Clean IT-Workshops seien „aus allen Interessenskreisen“ und „ausgewogen“ ausgewählt worden.
Die EU hat mit Clean IT vor rund 16 Monaten ein länderübergreifendes Projekt gestartet, mit dem „Terrorismus im Internet“ bekämpft werden soll. Laut einem geheimen, aber an die Öffentlichkeit gelangten Entwurf, der wie sich mittlerweile herausgestellt hat, lediglich eine „Ideensammlung“ darstellen soll, sollen dazu wie berichtet z.B. künftig alle Internet-Verbindungen überwacht werden dürfen.
Die EU-Kommission hat nun auf die offizielle Anfrage vom EU-AbgeordnetenWeidenholzer (SPÖ) geantwortet (siehe DOC-File), der von der EU-Kommission wissen wollte, welche Ziele die Kommission mit Clean IT verfolge und warum die Vorschläge zu Clean IT als „vertraulich“ eingestuft worden seien und bisher nicht publiziert worden seien. In der Anfragebeantwortung heißt es zuerst ganz allgemein zum Projekt: „Das Projekt entspricht der Aufforderung des Rates, Maßnahmen zur Bekämpfung des Missbrauchs des Internet zu terroristischen Zwecken zu entwickeln, wobei jedoch die Grundrechte und Rechtsgrundsätze zu achten sind sowie eine europäische Mustervereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgungsbehörden und privaten Betreibern` auszuarbeiten.“
„Ohne legislative Ziele“
Weiters schreibt die EU-Kommission, dass das Projekt einer „Bottom-up-Initiative ohne legislative Ziele“ entspreche, die dazu diene „Gedanken und Ideen auszutauschen“. Der EU-Abgeordnete Weidenholzer kritisierte im futurezone-Interview, dass bei „Clean IT“ die Stimmen der Netz-Community nicht gehört worden seien. „Wenn man aber bestimmte Akteure einlädt und andere nicht und wenn man dann vorhat, diese Meinungen in ein offizielles Ergebnis einmünden zu lassen, dann finde ich das sehr hinterfragenswert“, sagte Weidenholzer.
In der Anfragebeantwortung der EU-Kommission heißt es nun, dass der Projektkoordinator (vom niederländischen Ministerium für Sicherheit und Justiz) die Teilnehmer der Workshops „so ausgewählt und eingeladen worden sind, dass alle Interessenskreise in ausgewogener Weise vertreten sind.“
„Veröffentlichung der endgültigen Fassung“
An „Clean IT“ kritisiert wurde in der Vergangenheit auch häufig, dass die Arbeitspapiere der knapp eineinhalb Jahre dauernden Verhandlungsrunden – außer durch „Leaks“ – nicht veröffentlicht worden seien und man praktisch „im Geheimen“ verhandelt habe. Wie bereits vom Workshop-Teilnehmer Asiem El Difraoui, Jihad-Experte und Politologe, geschildert, seien die Arbeitspapiere deshalb nicht veröffentlicht worden, weil darin oft „viel Unausgegorenes“ stehe. Das sei normal, so El Difraoui.
Diese Ansicht teilt auch die EU-Kommission, denn so heißt es dazu: „Die Kommission ist nicht an der Ausarbeitung des Clean-IT-Dokuments beteiligt. Das Dokument selbst ist nicht vertraulich, sondern lediglich ein Arbeitspapier, das zurzeit noch häufig geändert wird, weshalb es noch als nicht zur Veröffentlichung bestimmt gilt. Die endgültige Fassung wird allerdings veröffentlicht und auf einer Konferenz Anfang 2013 zur Diskussion gestellt.“
„Ausschließlich die Meinung der Autoren“
Die Kommission fügt zudem hinzu: „Die Schlussfolgerungen des Projekts werden ausschließlich die Meinung der Autoren wiedergeben, nicht aber die Auffassung der Europäischen Kommission.“ Damit will die Kommission noch einmal darauf hinweisen, dass sie mit den Vorschlägen der „Arbeitsgruppen“ praktisch nichts zu tun hat, sondern das Projekt lediglich co-finanziert.
Der EU-Abgeordnete Weidenholzer ist mit der Anfragebeantwortung nicht zufrieden: „Mit der Beantwortung stellt sich die Kommission ins Abseits und zeigt, dass sie nicht bereit ist, eine ernsthafte Debatte darüber zu führen, inwiefern die Privatwirtschaft die Arbeit der Kommission beeinflussen. Es darf nicht sein, dass die Industrie bestimmt, wie frei das Internet sein darf. Projekte wie Clean IT – die mit öffentlichen Geldern – finanziert werden, gefährden nicht nur die Freiheit des Internets sondern auch demokratische Gesetgebungsprozesse.“
„Da angekommen, wo es begonnen hat“
Laut einem Bericht von Joe McNamee von der Bürgerrechtsorganisation EDRi ist das Projekt Clean IT nach seiner 16-monatigen Existenz und dem letzten Workshop Anfang November in Wien „ungefähr an dem Punkt angekommen, an dem es begonnen hat“. McNamee von EDRi fragt sich in dem Bericht: „Wie können Internet Service Provider (ISPs) in Bezug auf Terrorismus so vorgehen, wie es laut SOPA und ACTA in Bezug auf Urheberrechtsverstöße vorgesehen ist – nämlich so, dass grundlegende Rechtsvorschriften, die Unschuldsvermutung und der ordentliche Rechtsweg unterminiert und umgangen werden?“
Die EU-Kommission schließt die Anfragebeantwortung mit folgender Stellungnahme: „Die Kommission wird keine Eigentumsrechte an den Ergebnissen von Clean IT besitzen. Allerdings wird sie, wie bei allen vom Programm „Kriminalprävention und Kriminalitätsbekämpfung“ (ISEC) kofinanzierten Projekten, bei der abschließenden Evaluierung bewerten, ob mit dem Projekt die im Projektvorschlag beschriebenen Ergebnisse erreicht worden sind.“