Verfasst von dub am 26. September 2012 – 16:24 auf unwatched.org

EU-Kommissarin Cecilia Malmström

Nachdem European Digital Rights (EDRi) letzten Freitag ein besorgniserregendes Dokument zum EU-Projekt CleanIT veröffentlicht hatte, gingen nicht nur in der Netzgemeinde die Wogen ob Vorschläge über einschneidende Eingriffe in die Freiheit des Internets hoch. Die Kommission dementiert jegliche Absichten, ein Parlamentarier versucht mit einer dringlichen Anfrage Licht ins Dunkel zu bringen.

Geheimes Dokument enthüllt Pläne für drastische Maßnahmen

Auch viele Internetanbieter sehen die Entwicklungen mit Sorge, denn nach den Empfehlungen des umstrittenen Projekts sollen die Provider wieder einmal für Unliebsames im Internet haftbar gemacht werden, wenn sie nicht rigoros dagegen vorgehen (unwatched berichtete).
Die Welle der Empörung über die unglaublichen CleanIT-Vorschläge – die letztlich auf eine Überwachung des Internetverkehrs, ein Ende der Anonymität im Netz und die Löschung unerwünschter Inhalte durch die Polizei hinauslaufen – blieb nicht einmal der zuständigen Innenkommissarin Cecilia Malmström verborgen. Via Twitter ließ sie wissen, es handle sich hier um ein gewaltiges Missverständnis.

Kommission dementiert alle Absichten zur Umsetzung

Die im Rahmen des Projekts getroffenen Schlussfolgerungen und Empfehlungen würden lediglich die Meinung der Autoren widerspiegeln, nicht jene der Kommission. Das CleanIT-Projekt bringe bloß öffentliche und private Partner zusammen, um eine offene Diskussion über das Phänomen des Terrorismus zu führen. An dieser Diskussion haben sich bisher laut EDRi vornehmlich Firmen beteiligt, die Filtertechnologien herstellen.
Von Seiten der Kommission heißt es, man habe „keinerlei Absicht, ein Programm vorzuschlagen, oder in die Freiheit des Internets einzugreifen“. Nicht wenige fühlten sich bei dieser Aussage an Walter Ulbricht erinnert, der wenige Wochen vor Beginn des Baus der Berliner Mauer im Brustton der Überzeugung erklärt hatte: „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten.“
Malmström schickte auch ein Liste der Projektpartner herum. Zu den Kernpartnern des EU-finanzierten Projektes zählen demnach Deutschland, die Niederlande, das Vereinigte Königreich, Belgien und Spanien. Inzwischen haben sich neben Ungarn, Rumänien, Dänemark und Griechenland auch Österreich angeschlossen, diese Länder firmieren als „unterstützende Regierungen“.

Rückkehr auf den Boden der Rechtsstaatlichkeit gefordert

Nun rührt sich auch Unmut im Europäischen Parlament. In einer Pressemitteilung kritisierte der österreichische EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer, die Kommission nehme zu stark Rücksicht auf die Interessen der Industrie und ignoriere dabei die Bedenken der Internet Community.
Unternehmen dürften keine politischen Maßnahmen ausarbeiten, die ohne demokratische Legitimation umgesetzt werden sollen, so Weidenholzer. „Die Kommission muss zurück auf den Boden der Rechtsstaatlichkeit.“ Um Licht in diese dunkle Angelegenheit zu bringen, stellt der Abgeordnete nun eine dringliche Anfrage an die EU-Kommission, um zu erfahren:
>> Warum werden die Vorschläge zu CleanIT als „vertraulich“ bzw. „nicht zu publizieren“ klassifiziert?
>> Welche Ziele verfolgt die EU-Kommission mit CleanIT?
>> Welche Ziele verfolgt die EU-Kommission mit der nächsten CleanIT-Konferenz in Wien am 5./6. November 2012? (Anm.: Die Veranstaltung wird vom österreichischen Innenministerium ausgerichtet.)
>> Denkt die EU-Kommission an eine ausgewogenere Gestaltung des ExpertInnen-Gremiums zu CleanIT?
>> Im jüngsten IT-Papier heißt es unter anderem, dass das Ziel „die Aufhebung aller gesetzlichen Bestimmungen, die der Filterung/Überwachung der Internetanschlüsse von Angestellten in Betrieben entgegenstehen“. Was sagt die Kommission dazu?