Österreich wird das umstrittene Handelsabkommen ACTA vorerst nicht ratifizieren. Man wolle abwarten, wie die Abgeordneten im EU-Parlament entscheiden, sagte der Sprecher des Innenministeriums, Hermann Muhr, am Mittwoch. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner begrüße die Entscheidung der EU-Kommission, ACTA durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) überprüfen zu lassen.
Am 12. Juni sollte nach bisherigen Angaben im EU-Parlament in Brüssel über ACTA abgestimmt werden. Allerdings könnte eine Entscheidung der EU-Kommission vom Mittwoch, das Abkommen durch den EuGH prüfen zu lassen, eine Abstimmung um zwei Jahre verzögern, hieß es von EU-Abgeordneten. Ob im EU-Parlament eine Mehrheit für ACTA zustande kommt, ist ungewiss. Viele EU-Abgeordnete äußerten sich in den vergangenen Tagen kritisch über das Anti-Piraterie-Abkommen.
Bisher unterzeichneten 22 EU-Mitgliedsstaaten das Handelsabkommen zum Kampf gegen Fälschungen. Vor dem Inkrafttreten ist allerdings eine Zustimmung des EU-Parlaments und der Parlamente der Mitgliedsstaaten erforderlich.
ÖVP für „breite Debatte“
Auch die ÖVP-Europaabgeordnete Elisabeth Köstinger begrüßte, dass nun der EuGH ACTA prüfen soll. Die Entscheidung der EU-Kommission lasse Raum für eine „breite öffentliche Debatte“. Das Gericht habe bereits zuvor Bedenken gegen das Abkommen, es könnte Internetprovider zur Kontrolle und dem Sperren des Internetverkehrs verpflichten, entkräftet.
Zugleich kritisierte sie die Haltung der SPÖ und der Grünen. „Anstatt sich an der Debatte zu beteiligen, wollen sie blind gegen ACTA stimmen. Die Schädigung der heimischen Wirtschaft, der Verlust von Arbeitsplätzen und die Gefährdung der Gesundheit durch gefälschte Medikamente spielen anscheinend keine Rolle“, so Köstinger.
SPÖ: Kommission „halbherzig“
Die SPÖ sprach dagegen von einem „halbherzigen Vorgehen“ der Kommission. Es sei „keine kritische Stellungnahme“ vonseiten des EuGH zu erwarten, erklärte Delegationsleiter Jörg Leichtfried am Mittwoch. Frühere Entscheidungen des EuGH hätten gezeigt, dass diese oftmals im Interesse der Wirtschaft fallen würden. Zudem treffe der am Mittwoch verkündete Schritt der EU-Kommission nicht „den Kern des Problems“.
Wie das Internet in Zukunft ausgestaltet sein soll, sei „keine rein rechtliche, sondern eine politische Frage“, teilten Delegationsleiter Jörg Leichtfried und der Abgeordnete Joe Weidenholzer mit. Mit dem umstrittenen Handelsabkommen stelle die Kommission ihre „Unfähigkeit zur Schau, während auf der einen Seite (EU-Kommissarin) Viviane Reding an einer Datenschutzrichtlinie arbeite, werde dieses Vorhaben mit ACTA nun ad absurdum geführt“, so die beiden Mandatare.
Grüne: „Zeit gewonnen“
Die Grünen begrüßten dagegen die Entscheidung der EU-Kommission, ACTA vom EuGH prüfen zu lassen. Auch der vom Innenministerium verkündete Stopp des Ratifizierungsprozesses in Österreich wird von den Grünen positiv bewertet.
Der grüne Bundesrat Marco Schreuder erklärte, die Gegner des umstrittenen Abkommens hätten durch die Prüfung „Zeit gewonnen“. Es sei „dringend notwendig“, auch „Künstlerverbände, netzpolitische NGOs, Datenschützer und Konsumentenschutzverbände“ an einer Debatte über den Schutz von geistigem Eigentum zu beteiligen. Schreuder warnte aber vor „verfrühtem Optimismus“ infolge der EU-Entscheidung: „ACTA ist noch nicht vom Tisch“, es sei nötig, nun einen breiten Diskussionsprozess zu beginnen.
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